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  FRANCESCO BONSIGNORI
(dok. Verona, 1477– Caldiero, 1519)
KINDERPORTRÄT DES FEDERICO II. GONZAGA
 
1503
Öl auf Holz, Höhe: 24,8 cm, Breite: 20,1 cm, gerahmt
Auf der Rückseite: Zollsiegel des Territoriums des Granduca della Toscana und eingebrannte Sammlungsinventarnummer mit Krone, womöglich der herzoglichen Sammlung der Gonzaga.
   
  PROVENIENZ
 
Mantova, Isabella d’Este, bis 5. November 1503
25. November 1503, Rom, Gian Francesco Gonzaga oder Papst Julius II
Europäischer Privatbesitz
   
  EXPERTISE
 
Prof. Dr. Gaudenz Freuler, März 2023
   
  LITERATUR
 
Gaudenz Freuler, „El pù bel ritracto facesse mai Magistro Francesco“, in: Pantheon, LIV, 1996, S. 50–58
Clifford M. Brown, „Francesco Bonsignori: Painter to the Gonzaga court – New documents“, in: Accademia Virgiliana Mantova, Atti e Memorie, n.s., XLVII, 1979, S. 81–96
   
  Das Gemälde mit der Büste eines edel gekleideten Knaben gehört zu den frühesten Kinderporträts der italienischen Renaissancemalerei. Prof. Dr. Gaudenz Freuler, emer. Professor für Kunstgeschichte der Universität Zürich, konnte den Dargestellten in einer vorbereitenden Zeichnung aufgrund stilkritischer Erwägungen und historischer Dokumente als den dreijährigen Federico II. Gonzaga, Sohn der Isabella d’Este und Erbprinz des Markgrafen von Mantua, Gian Francesco Gonzaga, identifizieren.
 
Dieses bisher noch unveröffentlichte Kinderporträt ist die Umsetzung der Zeichnung in ein Gemälde, das ebenfalls bestens dokumentiert ist. Isabella d’Este ließ nämlich, wie aus ihrer Korrespondenz ersichtlich ist, zwei Gemälde ihres dreijährigen Sohnes anfertigen, die sie an ihren in Rom am Hofe Papst Julius II. weilenden Gemahl schicken ließ. Eines der beiden Gemälde war für diesen bestimmt, während das andere als Geschenk für Papst Julius II. vorgesehen war.
 
Trotz seines zartesten Alters tritt der kleine Sprössling des Edelgeschlechtes hier in einer eigens für ihn angefertigten Uniform nordischer Prägung in Erscheinung. Sie besteht aus dem Unterhemd, einem Wams mit den typisch für die Zeit um 1500 angebundenen weiten Ärmeln und einem Barett. Das zarte, etwas abwesend wirkende Antlitz ist leicht nach links gedreht, und die großen, ausdrucksvollen Augen lassen eine leichte Melancholie erkennen.
 
Die hohe Bedeutung des Kinderporträts des dreijährigen Federico II. Gonzaga liegt nicht allein in seinem künstlerischen Belang, nämlich als Werk des auf Porträts spezialisierten Hofmalers der Gonzaga, Francesco Bonsignori. Sie liegt ganz speziell auch in seiner historischen und kulturgeschichtlichen Bedeutung, als das früheste auf uns gekommene Porträt des späteren Erbauers des Palazzo del Te, der später als Erwachsener selbst von Tizian porträtiert wurde.
 
Durch seine reichhaltige Dokumentierung über den Briefwechsel zwischen Isabella d’Este, einer der berühmtesten und schillerndsten Mäzeninnen der Renaissance, und ihrem Gatten Gian Francesco Gonzaga gilt dieses Bildnis als eines der bestdokumentierten Porträts der Renaissance, dessen künstlerische Genesis über Archivalien und die vorbereitende Zeichnung in all ihren Facetten lückenlos erschlossen ist.
 
In einem dieser Briefe bezeichnet Isabella d’Este Bonsignoris Porträtzeichnung ihres Söhnchens als die schönste Zeichnung, die sie von Bonsignori gesehen hätte: „… el più bel ritracto facesse mai Magistro Francesco (sc. Bonsignori)…“ Erwähnung findet auch die für ein Kleinkind eher ungewöhnliche „offizielle“ Kostümierung samt Barett, die an die Uniform der Schweizergarde angelehnt ist und Isabella d’Este „von unserem kleinen Schweizerchen“ („il svizaretto nostro“) sprechen lässt. Aus der Korrespondenz im Herbst des Jahres 1503 geht hervor, dass Bonsignori die Kohlezeichnung in sehr kurzer Zeit, nämlich in etwas mehr als zwei Wochen, in zwei Gemälde umzusetzen hatte, die Isabella d’Este, nachdem sie vollendet waren, nach Rom schicken ließ.
 
Offen bleibt bloß die Frage, ob vorliegendes Bild jene Variante ist, die an den Vater des Porträtierten, Gian Francesco Gonzaga, ging, oder ob es mit jenem Porträt identisch ist, das Papst Julius II. geschenkt wurde.
 
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