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  GIOVANNI FRANCESCO BARBIERI, genannt
GUERCINO
(Cento, 1591–1666, Bologna)
MADONNA UND KIND
 
Um 1621
Öl auf Leinwand, Höhe: 63 cm, Breite: 52,5 cm
   
  PROVENIENZ
 
Europäischer Privatbesitz
   
  LITERATUR
 
Nicholas Turner, The Paintings of Guercino. A Revisedand Expanded Catalogue raisonné, Rom 2017, S. 217–221, 366
   
  Das Gemälde Madonna und Kind zählt zu den besonders intimen Werken des großen Bologneser Barockmalers Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino. Es besticht durch die tiefe Innigkeit, mit der sich die Mutter dem Kind zuwendet und ist bezeichnend für das vielbeachtete Frühwerk des Künstlers. Sein Kennzeichen sind die Hell-Dunkel-Kontraste, wobei sich seine Palette in der Darstellung der Madonna mit Kind auf wenige Farben beschränkt. Das Hell-Dunkel, das sogenannte Chiaroscuro, lässt einerseits an Caravaggio denken, zeugt durch die Weichheit der Konturen und Übergänge jedoch auch von Einflüssen der venezianischen Malerei.
 
Der britische Barockexperte Nicholas Turner beschreibt das Gemälde in seinem aktuellen Werkverzeichnis als Skizze für das um 1621 entstandene gleichnamige Werk aus der Sammlung Barbara und Eduard Beaucamp, das sich heute als Schenkung des Sammlerehepaares im Städel Museum in Frankfurt am Main befindet.
 
Obgleich die Figuren im etwa gleichen Maßstab wiedergegeben sind, unterscheiden sich die beiden Leinwände in einigen Punkten, so zum Beispiel in ihren Hell-Dunkel-Partien oder in der Bandbreite der verwendeten Farben. Interessant ist, dass auf der Skizze die ganze Hand der Muttergottes zu sehen ist, während sie im ausgeführten Gemälde angeschnitten ist. Außerdem ist die Komposition in der Skizze zentral angelegt. Im Frühwerk von Guercino gibt es einige Ölskizzen – zum Beispiel die Studie eines Venuskopfes in der Londoner Schoeppler Collection –, die ganz ähnlich gestaltet sind wie die Madonna mit Kind. Typisch für seine Werke vor und um 1620 ist ein sehr malerischer, lyrischer Stil mit durch Licht und Schatten weich modellierten Figuren.
 
Das Gemälde ist gereinigt und gerahmt.
 
   
 

GIOVANNI FRANCESCO BARBIERI, genannt GUERCINO
 
Der am 8. Februar 1591 in Cento in der Emilia Romagna geborene und am 22. Dezember 1666 in Bologna verstorbene Giovanni Francesco Barbieri war einer der führenden Maler des italienischen Barock. Sein Künstlername („der Schielende“) bezieht sich auf sein rechtes Auge, auf dem er seit einem Kindheitsunfall schielte, wie sein Biograf Carlo Cesare Malvasia berichtet, was jedoch nicht gänzlich belegt ist. Mit siebzehn Jahren begann er seine Ausbildung bei Benedetto Gennari (1563–1610), einem Maler der Bologneser Schule. Im Wesentlichen gilt er jedoch als Autodidakt. Spätestens 1615 zog er nach Bologna und fand Anerkennung bei Ludovico Carracci (1555–1619). Sein früher Stil war einerseits von der damaligen Welle des Naturalismus geprägt, andererseits arbeitete er mit dramatischen, aber weichen Licht- und Schattenkontrasten und einer dunklen, tonigen, üppig wirkenden Farbpalette. Entscheidend für seine weitere malerische Entwicklung war eine 1618/19 durchgeführte Studienreise nach Venedig, wo er sein Kolorit durch das Studium der lokalen Malerei des 16. Jahrhunderts, allen voran Tizian, verfeinerte.
 

1621 lud Papst Gregor XV. ihn nach Rom ein, wo er bis zu dessen Tod 1623 blieb. Dort schuf er neben dem Porträt des Papstes zahlreiche vielbeachtete Fresken. Danach kehrte der inzwischen etablierte und angesehene Künstler in seine Heimatstadt Cento zurück. Künstlerisch lehnte er sich nun stärker an seinen Zeitgenossen Guido Reni an, legte mehr Wert auf klare Strukturen und eine strahlende Beleuchtung. Mit seiner Kunst weckte er das Interesse zahlreicher gekrönter Häupter; Einladungen an den englischen (1626) beziehungsweise französischen Hof (1629) schlug er jedoch aus. Nach dem Tod Renis 1642 folgte er diesem als Hauptmeister der Bologneser Schule nach und übersiedelte nach Bologna, wo er bis zu seinem Tod 1666 malte und lehrte.
 

Insgesamt schuf Guercino über 160 Altarbilder, rund 150 großformatige Gemälde, zahlreiche kleinere Formate und Zeichnungen sowie Fresken in der Villa Ludovisi und der Basilika San Crisogono in Rom sowie im Dom von Piacenza.

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