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  JAN SANDERS VAN HEMESSEN (1490/1510 – 1556/1579)
CHRISTUS ALS ERLÖSER
 
Um 1645
Öl auf Eichenholz, Höhe: 77 cm, Breite: 58,5 cm
   
  PROVENIENZ
Ruef Kunstauktionen, München, 24. November 2017 (als italienische Schule, 17. Jahrhundert)
Sotheby's, New York, 30. Jänner 2019, Lot 17
   
  Das Gemälde Christus als Erlöser ist eine neue Ergänzung zum Œuvre des großen flämischen Meisters Jan Sanders van Hemessen. Bis vor Kurzem war dieses Gemälde völlig übermalt.
 

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Hemessen-Experte Peter van den Brink schreibt über die Entdeckung: „Nach Entfernung der ungewöhnlich massiven Übermalung tauchte ein anderer Christus auf.
 

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Und nicht nur das: Abgesehen von einigen winzigen Verlusten um den Mund Christi und entlang der Fuge zwischen den ersten beiden Brettern links hatte sich die ursprüngliche Malschicht in außergewöhnlich gutem Zustand erhalten. Die eindringliche Wiedergabe der gemalten Figur, ihre Monumentalität und die ungemein überzeugende Darstellung des nackten Körpers Christi weisen in nur eine Richtung: Das Gemälde wurde von Jan Sanders van Hemessen (1490/1510–1556/1579) gemalt. [1] Im Unterschied zu vielen seiner Künstlerkollegen in Antwerpen zeichnete sich Hemessen vor allem auf dem Gebiet großformatiger nackter Figuren aus, was sich zweifellos aus dem Einfluss der zeitgenössischen italienischen Malerei erklärt, mit der er sich während einer Italienreise im den 1520er-Jahren auseinandergesetzt haben muss. Maler wie Michelangelo, Andrea del Sarto oder Rafael müssen auf den jungen Künstler, der mehr als irgendein anderer Maler seiner Welt aus dem Schaffen seiner italienischen Vorbilder eine neue Bildsprache des Nordens abzuleiten vermochte, eine außerordentliche Wirkung gehabt haben.
 

Hemessen widmete sich vornehmlich der Darstellung monumentaler, mächtiger nackter Figuren und spielte oft mit übertriebenen Posen, wobei er sich an Vorbilder der großen manieristischen Malerei Italiens und Fontainebleaus wie Giulio Romano, Francesco Primaticcio und vor allem Rosso Fiorentino anlehnte, wovon seine schlicht spektakuläre Judith mit dem Haupt des Holofernes im Art Institute of Chicago zeugt – ein Gemälde, das direkt auf ein Vorbild Rosso Fiorentinos zurückgreift.“ [2] Auch in unserem Fall zeigt sich Christus in leicht exaltierter Nacktheit.
 

Die Übermalung, die die originale Farbschicht mehrere Jahrhunderte schützte, konnte gut entfernt werden. Van den Brink setzt fort: „Zum Vorschein kam eine Oberfläche, die sich in makellosem Zustand befand, wenn man von dem Umstand absieht, dass die ursprüngliche Oberfläche geringfügig größer gewesen sein muss, besonders nach rechts und zum unteren Rand hin, weniger nach links, wohingegen der obere Rand tatsächlich dem originalen Zustand entsprechen könnte.“ Eine unbeschnittene, jedoch deutlich schwächere Kopie des Christus als Erlöser, wohl aus der Nachfolge von Hemessen, wurde 2018 im Auktionshaus Hampel in München versteigert.
 

Die Eichenholzplatte wurde von Prof. Dr. Peter Klein untersucht. Die dendrochronologische Analyse ergab, dass das Gemälde nach 1541 gemalt wurde. Van den Brink zum Thema Datierung: „Das Bild ist nach 1541, später als das Linzer Werk (Schmerzensmann, signiert und 1540 datiert, Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz, Österreich), wahrscheinlich um 1547 entstanden. [3] – Das ist an sich nicht überraschend. Eine nähere Betrachtung der rechten Hand Christi lässt darauf schließen, dass der ursprüngliche Plan etwas längere Finger wie beim Linzer Gemälde vorsah. Aufgrund der Korrektur, die eindeutig eine große Verbesserung war, steht außer Zweifel, dass der Künstler das Bild nach dem Linzer Christus von 1540 schuf. Eine Datierung um 1545 scheint dem Gemälde am besten zu entsprechen.“
 

Van der Brink unterstreicht, dass „Christus hier nicht als Schmerzensmann dargestellt ist. Seine selbstsichere aufrechte Haltung, die Darbietung seiner Wunden als Demonstration seines Triumphs über den Tod und das himmlische Licht über ihm weisen Christus als Erlöser der Welt aus. [4] Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Jan van Hemessens Porträt von Christus als Retter als wichtiger Hinweis auf die sich formierende Gegenreformation anzusehen.“
 

Van de Brink resümiert: „Das kürzlich entdeckte Gemälde Christus der Erlöser muss am Höhepunkt der Entwicklung von Hemessens Kunst um 1545 geschaffen worden sein. Auch wenn man so gut wie nichts über die Funktion des Bildes weiß, könnte es als Gegenstück zu einer heute nicht mehr bekannten Jungfrau Maria entstanden sein. Obgleich das Gemälde auf drei Seiten beschnitten worden zu sein scheint, steht durch seinen makellosen Zustand und seine meisterliche Technik die Autorschaft Jan Sanders van Hemessens außer Frage.“
 

[1] Zu Hemessen siehe Burr Wallen, Jan van Hemessen. An Antwerp Painter between Reform and Counter-Reform, Ann Arbor 1983.
[2] Inv. 1956.1109. Siehe ebd., S. 2, 107 f., 309 f., Nr. 36, Abb. 121; siehe auch Martha Wolff, Northern European and Spanish Paintings before 1600 in the Art Institute of Chicago, New Haven und London 2008, S. 232–236, Farbabb. Zu Rosso Fiorentino als Vorbild siehe Wolff 2008, S. 235 f., Abb. 2.
[3] Siehe den Bericht von Prof. Dr. Peter Klein vom 22. Januar 2018.
[4] Sicher gibt es andere Bilder, bei denen ein vergleichbares übernatürliches Licht verwendet wurde. So etwa im Fall des Salvator Mundi des anonymen, in der Werkstatt Quentin Massys’ tätigen Meisters der Mansi-Magdalena, eines Werks, das sich heute im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen befindet.
   
   
JAN SANDERS
VAN HEMESSEN
 
Jan Sanders van Hemessen wurde um 1490/1510 in Hemessen bei Antwerpen geboren und starb um 1556/1579. Im Jahr 1519 wurde er Schüler von Hendrick van Cleve I und um 1524 Meister. 1524 nahm man ihn in die Lukasgilde auf, deren Dekan er 1548 wurde. Um 1544 musste er mit drei weiteren Antwerpener Künstlerkollegen die Stadt verlassen, da man sie verdächtigte, den Loïsten anzugehören. Nach 1550 vermutet man ihn in Haarlem.
Hemessen gilt als seiner der führenden flämischen Renaissancemaler und gehört zur Gruppe der Romanisten. In den 1520er-Jahren besuchte er Italien und Mitte der 1530er-Jahre Fontainebleau. Er spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Genremalerei, die er in großen religiösen und weltlichen Szenen umsetzte. Darüber hinaus malte er eine kleine Anzahl herausragender Porträts.
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